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Grundlagen

Das Kronengerüst

Die idealtypische, pyramidenförmige Kronenform weist eine Stammverlängerung und drei bis vier Leitäste auf, die zunächst fast im 90°-Winkel vom Baum abgehen und dann "weinglasförmig" nach oben gebogen sind, bis sie zwischen Astansatz und Astspitze einen 45°-Winkel zur Stammverlängerung bilden. Von den Leitästen gehen V-förmig die Seitenäste ab, an denen das Fruchtholz ausgebildet wird. Von der Stammverlängerung gehen ebenfalls möglichst flach verlaufende Seitenäste ab, an denen wiederum Fruchtholz gebildet und Obst gezogen werden kann.

Die 90°-Anbindung ist die stabilste, welche später eine hohe Fruchtlast tragen kann. Sogenannte "Schlitzäste", das heißt in sehr kleinem Winkel (<35°) steil vom Stamm abgehende Äste mit reingewachsener Rinde, sollten vermieden werden, weil sie später schnell brechen und große Wunden am Baum hinterlassen.

Wachstumsgesetze

Es gibt mehrere Wachstumsgesetzte, welche überwiegend hormongesteuert ablaufen und sich teilweise überlagern. Durch die Kenntniss dieser Gesetze lässt sich die Entwicklung des Baumes nach einem Schnitt bis zu einem gewissen Grad vorhersagen und somit bewusst steuern.

  • Spitzenförderung: a) Die am höchsten stehende Endknospe wird am stärksten gefördert, sie treibt am stärksten aus und wächst am stärksten. b ) Der Austrieb eines Zweiges / Astes ist umso stärker, je höher er am Baum ansetzt.
  • Oberseitenförderung: Die Knospen an der Oberseite eines Triebes werden stärker gefördert als die an der Triebunterseite, sie treiben stärker aus und wachsen stärker. Wenn ein Trieb angeschnitten wird, "bricht" man die trieboberseits stehenden Knospen "aus" (entfernt sie mit der Schere oder dem Fingernagel), um zu verhindern, dass zu viele Konkurrenztriebe zum zu fördernden Trieb entstehen.
  • Scheitelpunktförderung: Biegt sich ein Trieb nach unten, entsteht oft an dessen höchster Stelle der stärkste Austrieb.
  • Basisförderung: Die Triebe, welche am nächsten an der Ansatzstelle zum nächst ranghöheren Zweig sind, werden stärker gefördert als weiter von der Basis entfernt liegende Triebe. Dieses Gesetzt überlagert oft die zuvor genannten.
  • Gesetz der Blattmasse: Triebe mit besonders viel Blattmasse im Verhältniss zur restlichen Baumkrone werden besonders stark gefördert, weil sie mehr Assimilate (Produkte der Photosynthese der Blätter) für Dicken- und Längenwachstum zur Verfügung haben. Durch die Wegnahme oder das Belassen von Blattmasse kann auf ein ausgeglichen starkes Wachstum aller Leitäste hingewirkt und zum Beispiel der Spitzenförderung höher ansetzender Leitäste entgegen gewirkt werden.
  • Stark geschnittene Triebe treiben stärker aus als schwach geschnittene.

Schnitttechniken

Grundsätzlich wird die geschärfte Klinge der Bypass-Schere zum stehen zu lassenden Ende gedreht, weil die "stumpfe" Klinge etwas quetschen und das Holz beschädigen kann. Triebe können angeschnitten, abgeleitet und weggeschnitten werden.

  • "Anschneiden" bedeutet, dass ein ein- oder zweijähriger Trieb knapp oberhalb einer (meistens nach außen - unten stehenden) Blattknospe in der Länge gekürzt wird. Der Trieb treibt im nächsten Jahr aus der Blattknospe aus, auf welche "angeschnitten" wurde. So wird der Trieb im Längen- und Dickenwachstum gefördert sowie die Verzweigung angeregt. Angeschnitten werden sollten ausschließlich Stammverlängerung, Leit- und Seitenäste und das vor allem während der Aufbauphase des Kronengerüstes.
  • "Knospen Ausbrechen" oder "blenden" bedeutet, dass Knospen, die nicht austreiben sollen (z.B. um weniger Blattmasse zu erzielen oder das Austreiben von Schossen aus der Knospe vor allem an der Oberseite von Leit- und Seitenästen zu verhindern) mit der Klinge der Schere oder dem Fingernagel vorsichtig zu entfernen. Das Ausbrechen sollte immer dann erfolgen, wenn Triebe angeschnitten werden.
  • "Ableiten" bedeutet, dass ein mehrjähriger Trieb bzw. Ast auf einen schwächeren Trieb mit anderer Wuchsrichtung bzw. anderem Wuchswinkel eingekürzt wird. Wird auf einen flacher stehenden Trieb abgeleitet, wird dieser grundsätzlich im Wachstum gebremst.
  • "Wegschneiden" bedeutet, dass ein Trieb oder Ast direkt an seiner Basis komplett entfernt wird. Bei dickeren Ästen sollte der sogenannte "Astkragen" dabei nicht beschädigt werden, da hieraus die Wundheilung erfolgt. Oberseitige "Wasserschosse" werden komplett, inklusive eventuellem Astkragen entfernt.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Tricks, um entweder die Bildung eines neuen Triebes an einer gewünschten Stelle zu provozieren ("Kerben") oder einem Trieb eine flachere Wuchsrichtung zu geben ("Knicken / Brechen", "Winkel- und Stummelschnitte"). Darauf wird hier nicht näher eingegangen. Sie erfordern einige Übung, gelingen nicht immer und zum Teil auch nicht bei jeder Obstart.

Durch das Entfernen von Blütenknospen - im Idealfall beim Austrieb dieser - kann eine stärkere Bildung von Neutrieben und Dickenwachstum angeregt werden.