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Die Bedeutung der Obstsorten

Was steckt hinter den Sorten?

Es gibt tausende Obstsorten, die in Deutschland teils in sogenannten „Mutterreisergärten“, teils in privaten Sammlungen erhalten werden. Jede Sorte hat nicht nur geschmacklich und optisch ganz individuelle Eigenschaften, sondern auch hinsichtlich des optimalen Wuchsorts, des Reifezeitpunkts und der Nutzungsart. Während einige Sorten sehr wärmebedürftig sind, Spätfröste oder Wind nicht gut vertragen, gedeihen andere auch noch in raueren Mittelgebirgslagen. Einige Apfelsorten zum Beispiel sind bereits im August reif und müssen umgehend verzehrt werden, während andere im Oktober geerntet und erst nach langer Lagerzeit im nächsten Jahr genussreif sind. Manche Sorten, auch als „Tafelobst“ bezeichnet, lassen sich gut direkt verzehren, andere eignen sich besser für die Herstellung von Saft, Spirituosen, zum Backen oder Einmachen.

 

Ökologische Folgen des Intensivobstanbaus „moderner“ Sorten am Beispiel Apfel

Der überwiegende Teil der wenigen Duzend, heute im Laden verkauften Tafelobstsorten sind im Laufe des letzten Jahrhunderts aus der Kreuzung im Wesentlichen dreier Muttersorten entstanden. Sie sind zwar schmackhaft, entsprechen Normgrößen und sind optisch makellos, jedoch wurde bei ihrer Züchtung nicht besonders auf Baum- und Obstgesundheit geachtet. Die industrielle Produktion und der verstärkte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau erforderte keine Rücksichtnahme mehr auf diese Faktoren, da jede Krankheit bekämpfbar wurde. Allerdings leidet das gesamte Ökosystem Streuobstwiese hierunter: Nicht nur die Schädlinge, sondern auch nützliche Lebewesen wie bestäubende Insekten, natürliche Antagonisten der Schädlinge (z.B. Marienkäfer, Florfliegen) oder bodenbildende Organismen werden so ausgeschaltet. Dieses gilt übrigens in ähnlicher Form auch für Bio-Obstplantagen, in welchen nur Substanzen verwendet werden dürfen, die keine Rückstände im Obst hinterlassen, dem Ökosystem aber ebenfalls schaden.

 

Obstsorten für den Streuobstanbau

Für den Streuobstbau sind diese "modernen" Sorten oft nicht geeignet. Und es ist nicht notwendig, sie anzubauen! Bis in das letzte Jahrhundert hinein wurden oft lokale, standortangepasste, sogenannte „Alte Obstsorten“ gezüchtet, die mehr oder weniger resistent oder tolerant gegenüber der ein oder anderen Krankheit wie Schorf, Mehltau und Obstbaumkrebs sind. Für das südliche Paderborner Land sind beispielsweise Bürener Zitronenapfel, Wünnenberger Zuckerapfel und Paderborner Seidenhemdchen zu nennen. Folgerichtig brauchen diese – am passenden Standort gepflanzt – nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.

Die Auswahl ist jedoch nicht ganz einfach, denn ein Baum, der beispielsweise auf eher nassem, schweren Boden Krebs bekommt, kann auf leichteren Böden wunderbar gesund gedeihen. Und nicht jede Baumschule hält jede Sorte vor. Unter den Literaturempfehlungen finden Sie auch ein Buch mit geeigneten Sorten für Westfalen und Lippe. Eine Liste von Baumschulen, die auch alte Obstsorten führen können Sie unter "Downloads" herunterladen.

 

Apfelallergiker aufgepasst!

Unter den "alten Sorten" befinden sich einige, die von vielen Allergikern gut vertragen werden.

 

Genetische Vielfalt ist wichtig!

Aus einem weiteren Grund ist es wichtig, diese alten Obstsorten zu erhalten: Sie haben einen deutlich größeren Genpool als die – im Falle des Apfels – im Wesentlichen aus drei Muttersorten hin und her gekreuzten modernen Sorten. Insbesondere wenn es um die Entwicklung neuer, krankheitsresistenter Sorten geht, ist dieser Genpool von großer Bedeutung. Auf Grundlage dieser großen, genetischen Vielfalt lassen sich Sorten entwickeln, die neu auftretenden Krankheitserregern oder den sich ändernden Umweltbedingungen wie zunehmender Hitze, Trockenheit und Sonnenbrand Stand halten.

 

Moderne Sortenentwicklung

Heute wird vielfach versucht, einzelne Resistenzgene in die vorhandenen Sorten einzukreuzen. Oft sind diese - wie beim im Foto unten aufgeführten Topaz - nach einiger Zeit aber nicht mehr wirksam, weil sich bei den Schaderregern Mutanten durchsetzen, gegen welche das Gen nicht wirkt.

Der Anbau von Obstbäumen vieler verschiedener Sorten mit einer breiten genetischen Vielfalt ist dieser Methode überlegen, weil es so immer Sorten gibt, die bei Konfrontation mit einem der vielfältigen Schaderreger und ihren genetischen Varianten bestehen und die Versorgung mit Obst sichern.